Zurück aus…Collioure!

Nach einem aufreibenden Erasmus-Studienjahr in einer europäischen Metropole wie Paris lässt es sich im französisch-katalanischen Städtchen an der Côte Vermeille prima entspannen – und den Dreck und Lärm der Grosstadt im türkisblauen Meerwasser abwaschen.

Text und Fotos:  Cécile Blaser

Während es die einen in diesen Semesterferien in eine pulsierende Metropole zieht, findet man im südfranzösischen Städtchen Collioure genau das Gegenteil: Ruhe und frische Luft. Das tut vor allem dann gut, wenn man das ganze Studienjahr in Paris verbracht hat. Nichts gegen Grossstädte: Die sind – nun ja – grossartig! Aber manchmal mag man es dann eben doch lieber etwas beschaulich.

Frisches Meerwasser statt verschwitzte Metros

Das Mittelmeer riecht man bereits, wenn man im Bahnhof Collioure aus dem Zug steigt. Die milde Brise lässt einem die 9-stündige Zugfahrt, die Stadthitze und verschwitzten Metros sofort vergessen, kühlend streicht sie über die Haut und verspricht das langsame Sommerleben, das aus Eis, Crêpes, Sand und Meer besteht. Zu Fuss sind es nur wenige Schritte vom Bahnhof bis ins Zentrum der Kleinstadt und den angrenzenden Strand. Doch bevor es einen erfrischenden Sprung ins kühle Nass gibt, geht es mit Sack und Pack in die Bucht entlang der Rue de la Démocratie, die sich auf der anderen Seite der Königsburg befindet, die majestätisch am Wasser thront und das alte Fischerdorf seit jeher in zwei Hälften teilt.

Eine einheimische Frau grüsst freundlich und ein paar Kinder lachen über die vielen Koffer, bieten aber gleich darauf ihre Hilfe an, das Gepäck die schmale Treppe hinauf bis in den zweiten Stock eines der farbigen Reihenhäuschens zu schleppen. Die Colliourencs sind sich Touristen gewohnt: Im Sommer wächst ihr Städtchen von knapp 3000 auf 10’000 Einwohner. Mit ihrer freundlichen und gemütlichen Art schaffen es die Einheimischen aber, dass der Charme von Collioure trotzdem bestehen bleibt.

Singende Amseln statt Polizei-Sirenen

Von der Terrasse aus blickt man über die Dächer hinweg auf die beiden Hafen Collioures, den Port d’Avall und den Port d’Amont, an dessen Ende die Wehrkirche Notre-Dame-des-Anges fast im Wasser steht und deren hellrosarote Kuppe von der warmen Abendsonne beleuchtet wird. Jeder Sonnenuntergang ist hier ein Spektakel: Wo das glitzernde Blau des Meeres endet, hüllt das Licht den Horizont in rosarote, orange, gelbe und hellblaue Töne.

Kein Wunder, dass sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Maler wie Matisse und Derain von diesen Farben inspirieren liessen. Bei einem eisgekühlten Martini oder Suze mit Limonade lauscht man den langsam versummenden Kinderrufen vom Strand und hört den Schwalben beim Fliegen und Pfeifen zu. Während in Paris in dem Moment längstens irgendwo eine Polizeisirene heulen würde, ist es in Collioure einfach ruhig – einzig eine Amsel entschliesst sich ab und zu, vom Nachbardach noch ein Abendlied zu singen.

Wer diese Stille nicht aushält, unternimmt einen Spaziergang entlang der Königsburg in die Stadt: Hier treffen sich Einheimische und Touristen zu Drinks am Strand, Live-Musik und zum Eisessen. Wer noch Hunger hat, gönnt sich eine Portion Moules et Frites (ca. 13 Euro) oder holt sich im «Maison Annaïc Noblet» eine Crêpe (ab ca. 4 Euro) oder in der Pizzeria «Al Cantou» eine Holzofenpizza zum Mitnehmen (8-13 Euro) und geniesst sie am Strand.

Fougasse statt Baguette

Gehört in Paris ein feines Baguette oder Tradition zum Grundnahrungsmittel, muss in Collioure unbedingt ein Fougasse auf den Frühstückstisch. Die südfranzösische Brotspezialität schmeckt bloss etwas fade, aber bestrichen und belegt mit gesalzener Butter, Feigenkonfi und frischem Schafskäse vom Markt (jeden Mittwoch- und Sonntagmorgen auf dem Place du Général Leclerc) ist es himmlisch! Das beste Fougasse gibt es für 1.50 Euro in der Bäckerei an der Rue de la Démocratie. Den Rest nur ein paar Schritte weiter in der Epicerie «Alimentation de la Tour» beim nettesten Verkäufer-Ehepaar der Stadt. Nach Paris ist man sich soviel Freundlichkeit kaum mehr gewohnt: Jeder fragt hier, wie es geht und freut sich über einen kleinen Schwatz, sei es übers Wetter oder die Temperatur des Meers.

Barfuss statt High-Heels

Bei so viel Freundlichkeit fällt es einem nicht schwer, auch zu sich nur noch freundlich zu sein: Die unbequemen Stadtschuhe verschwinden also irgendwo im Koffer und werden durch Espadrilles aus fröhlichem katalanischem Stoffmuster ersetzt. Ein grosses Sortiment an Schuhen gibt es im «Maison de prosper» auf dem Place de la République (ab ca. 18 Euro). Darin lassen sich Ausflüge viel bequemer unternehmen: Etwa ins Nachbardorf Port Vendres zum Fischkaufen in der Poissonnerie de la Côte Catalane, wo die Fischer jeden Morgen ihren frischen Fang abladen oder hoch zur alten Mühle Collioures, von der aus man einen wunderbaren Blick über die Stadt und Küste hat.

Den Rest des Tages geniesst man am Strand mit Sonnentanken, einem guten Buch, einer Partie Boules oder Fresbee. So verfliegen die Tage und in Nullkommanichts sind zwei Wochen Urlaub verflogen.

Veröffentlicht am 8. August 2013 in NZZ Campus.